Wo fängt Sexsucht an und wie definiert sich Abhängigkeit beim Sex?
Kategorien: Sadomasochismus
Es ist nicht eindeutig zu definieren, wo eine Sexsucht beginnt. In der aktuellen Krankheiten-Klassifizierungsliste der Weltgesundheitsorganisation, dem ICD-10, findet man den Begriff der „Hypersexualität“, was ein gesteigertes sexuelles Verlangen, bzw. sexuell motiviertes Handeln bezeichnet, welchem unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen können.
Wann sexuell übersteigertes Verhalten anfängt ist schwierig zu definieren. Eine Person kann drei Mal täglich Sex haben und darin keine sexuelle Zufriedenheit erfahren, während eine andere Person Befriedigung erfährt, die sich nur ein Mal im Monat sexuell betätigt. Von Sexualtherapeuten wird bestritten, dass die Quantität an Sexualität ein bewertbares Kriterium ist. Die Einschätzung, was als „übersteigert“ gilt, unterliegt immer auch gesellschaftlich-kulturellen Werten und Normen und hängt eng damit zusammen, was als „normal“ verstanden wird. Daher herrscht bei den Kriterien weitestgehend Uneinigkeit. Alfred Charles Kinsey (1894-1956) sagte 1953 ironisch über die Hypersexualität: „Eine Hypersexualität kann bei einer Person festgestellt werden, die mehr Sex hat als Sie.“
Da das Phänomen „Sexsucht“ derzeit in den Medien stark thematisiert wird, greifen mehr Menschen als früher zu diesem Etikett. Das heißt nicht, dass diese wie eben eine Grippe klar diagnostiziert werden kann. Die meisten diagnostischen Versuche orientieren sich an den Kriterien anderer Abhängigkeitserkrankungen.
Wie kann also ein „gesteigertes sexuelles Verlangen“ diagnostiziert werden?
Sexsucht zeigt sich in der Regel im zwanghaften Wunsch und Streben nach Sex. Die Gedanken von sog. Sexsüchtigen drehen sich ständig um die Ausübung von sexuellen Handlungen und Phantasien. In ihnen zeigt sich eine Getriebenheit, häufig zeigen sich „Sexsüchtige“ nicht dazu in der Lage, ihre Handlungen und Fantasien zu kontrollieren, obwohl gleichzeitig der kontinuierlicher Wunsch besteht, das Verhalten einzuschränken oder zu kontrollieren. Im Gegensatz zu anderen Süchten (beispielsweise Alkohol) ist es schwer, durch zu viel Sex körperliche Schädigungen zu erfahren. Allerdings zeigt eine Sexsucht in der Regel hohe Kosten für die Betroffenen: Hohe Telefongebühren, die Gefahr, bei der Arbeit entdeckt zu werden oder den Vertrauensverlust in der Partnerschaft und damit die Angst, verlassen zu werden.
Entgegen der Idee, die man beim Betrachten des Lebenswandels eines Sexsüchtigen gewinnen könnte, ist es eher so, dass Sexsüchtige keine ausreichend Befriedigung erfahren können – es gelingt ihnen häufig nicht, ihre Spannungen sexuell abzubauen. Die sexuelle Betätigung wird zum Zwang.
Wenn Sexualität hauptsächlich als Kompensator dient, um bestimmte Zustände, seelische Konflikte und die damit verbundenen Emotionen nicht fühlen zu müssen, dann kann Sex zur Droge werden. So kann eine Sex-süchtige Person in Sexualität vor den ansonsten vorherrschenden Gefühlen von Leere und Bodenlosigkeit flüchten oder durch den Kick immer neuer Sexerlebnisse und Sexualpartner, sich überhaupt erst spüren. Die Sex-Sucht kann eine beständige Suche nach Selbstbestätigung sein, die jedoch oberflächlich ist und im Inneren hohl bleibt. Dann steht „der Kick“ im Vordergrund und nicht die Begegnung mit dem Partner. Es kann keine emotional-partnerschaftliche Bindung zu den jeweiligen Sexualpartnern eingegangen werden. Die Beziehung bleibt auf einer oberflächlichen, die Sexualität auf einer rein körperlichen Ebene.
Auch SM kann süchtig verfolgt werden, wenn der reine Kick im Vordergrund steht. SMer, die sich hauptsächlich in unpersönlicher und anonymer Settings und Beziehungen, in Clubs und auf Dating-Seiten rumtreiben zeigen häufig ein sexuelles Verhalten, das ausschließlich an Kicks orientiert ist. Viele streben dann eine kontinuierliche Steigerung der „Dosis“ an. Das heißt, dass immer stärkere Reize aufgesucht werden, um denselben Rausch, denselben Kick zu erleben. Dies birgt das Risiko einer Abstumpfung der Gefühle und einer Verrohung des emotionalen Haushaltes und der Liebesfähigkeit.
Dasselbe gilt auch für Menschen, die in SM-Beziehungen leben, sich jedoch emotional nicht aufeinander einlassen, sondern stattdessen die Rollen ihrer SM Beziehung zur Beziehungsvermeidung nutzen. Die Sexualität ist dann häufig nur noch von der Abhängigkeit der Partner bestimmt, sexuelle Befriedigung und emotionale Verbundenheit wird dabei nicht erfüllt.