Was ist „normal“, was „unnormal“, was gesund, was ungesund für Körper und Seele?
Kategorien: Sadomasochismus, Sexsucht/Hypersexualität, Sexuelle Fantasien
Laut Erich Fromm leben wir in einer kranken Gesellschaft, in welcher Konformität eher als Zeichen mangelnder Widerstandskraft verstanden werden kann denn als Zeichen geistiger Gesundheit. Ein Zeichen von Gesundheit wäre in unserer Perspektive, dass ein Mensch an seinem eigenen Innenleben orientiert ist und handelt und sich bestrebt zeigt, sich seiner eigenen Lebensthemen entsprechend zu entwickeln und freizusetzen. Wenn ein Mensch herausfindet, dass er sich selbst im Sexuellen dazu in besonderer Weise spüren will und z.B. den Wunsch verspürt, geschlagen zu werden, so entspräche es seiner ihm innewohnenden Normalität, diesem Wunsch zu folgen. Es wäre eher „unnormal“, diesem Bedürfnis nicht nachzugehen oder es gar zu vertuschen.
Häufig ist gerade das Verheimlichen und der soziale Rückzug, der Isolationsprozess für die betreffende Person das eigentliche Problem und nicht die Tatsache an sich, auf z.B. SM zu stehen. Ist beispielsweise in der gesellschaftlichen Konsens-Wirklichkeit, also in der herrschenden Normalität, eine bestimmte sexuelle Praktik tabuisiert, so beginnen Menschen sich zu isolieren und selbst zu bezichtigen. Dann entzieht sich dieser sexuelle Teil der bewussten Auseinandersetzung und zeigt sich zunehmend unkontrolliert und archaisch. Insbesondere die Geschichte der katholische Kirche zeichnet ein deutliches Bild dieser sexuellen Schattenseiten.
Wir leben heute in einer Zeit, die insbesondere in Großstätten durch eine nie dagewesene Bandbreite gekennzeichnet ist. Doch trotz der hohen Toleranz gegenüber sexuellen Strömungen und Vorlieben und der Möglichkeit, in Zeiten des Internet für so ziemlich jede Phantasie den richtigen Spielpartner zu finden, gibt es auch hier Grenzen. Diese liegen dort, wo sich Menschen tatsächlichen körperlichen Schaden zufügen. Sexuelle Handlungen, die zu massiven körperlichen Verletzungen und irreparablen Folgen führen, folgen wohl weniger sexuellen Triebzielen als vielmehr selbst-destruktiven Motiven. Außerdem gibt es eine deutliche Grenze, die durch das Strafrecht definiert ist. Pädosexualität sowie verschiedene Perversionen werden als nicht normal, sondern strafbar definiert und das ist zum Schutz Minderjähriger sehr wichtig.
Kurzum: Als destruktiv ist alles zu betrachten, das zu tiefgehenden und nicht selten irreparablen seelischen und körperlichen Schäden führt, alle Handlungen, die gegen den Willen einer Person ausgeführt werden. Das oben genannte Beispiel zeigt unseres Erachtens jedoch nur wie unsere Medienkultur funktioniert, die auf Sensationen aus ist. Die SM-Szene birgt eine gewisse Faszination in sich, weil sie die „dunkle“ Seite menschlicher Sexualität darstellt und so der Gesellschaft einen Spiegel uneingestandener Wünsche und Fantasien vor hält. Ein Bericht wie der oben erwähnte unterstützt das Vorurteil, dass SM gefährlich wäre, dass die „Schmerzdosis“ beständig erhöht werden und die Grenzen immer weiter gesteckt werden müssen. Das ist so nicht richtig. Normalerweise bergen konsensuellen SM-Praktiken kein Risiko in sich. Jedoch wird auf beiden Seiten der Spielpartner ein hoher Grad an Bewusstheit erfordert. So wird in der SM-Szene auch nur sehr wenig Alkohol getrunken. Außerdem wäre in diesem Zusammenhang auch interessant zu untersuchen, wie viele Menschen bisher umgekommen sind, weil sie in romantischer Weise ihrem Partner folgten. Sicherlich würden wir dann zum Schluss kommen, dass nicht SM, sondern Sex im Allgemeinen zu den größten Gefahrenquellen des menschlichen Daseins zählen.