Wann würden Sie einem praktizierenden SM’ler empfehlen eine Psychotherapie zu machen?
Kategorien: Sadomasochismus
Die Beschäftigung mit persönlichen Entwicklungsthemen auf einer psychotherapeutischen Ebene ist in unseren Augen nicht nur bei den sogenannten „sexuellen Störungen“ oder anderweitigen psychischen Problemen zu empfehlen. In unsere Praxis kommen viele Paare, die seit Jahren keine gemeinsame Sexualität mehr leben, dafür aber von einer relativ friedlichen Alltagsbeziehung berichten. Es kann dann sein, dass durch Vermeidung sexueller Begegnungen die Beziehung einigermaßen von Spannungen frei gehalten wird. In der Sexualität würden diesen Paaren Gefühle begegnen, die nicht in deren Beziehungsmodell passen.
Den Fokus nach innen zu lenken, die eigenen unbewussten Motive zu integrieren und sich mit dem, was uns in Beziehungen und Sexualität bewegt, auseinander zu setzen, kann wie ein Aphrodisiakum wirken.
Unerlässlich wird eine professionelle Psychotherapie jedoch dann, wenn SM zur Obsession wird, zur einzigen Möglichkeit sexuell und emotional in Kontakt zu treten. Wenn also die Praktik und die damit verbundenen Kicks wichtiger werden als die Beziehung zum Liebespartner und die Sexualität ohne entsprechende Praktiken nicht mehr funktioniert. In so einem Fall spricht man in der der Psychologie auch von einer Paraphilie, in der Psychoanalyse von einer Perversion. Der Partner wird dann zum reinen Objekt der Lust, zum Fetisch der Trieberfüllung stilisiert. Sexualität kann dann eine kompensatorische Funktion einnehmen und innerpsychische Konflikte überdecken. Destruktive Beziehungen, in denen unterschwellige Machtspiele die Alltagsebene bestimmen, sind hier zumeist die Folge.
Eine psychotherapeutische Begleitung kann Paare und Einzelne dabei unterstützen, die Essenz ihrer SM-Fantasien herauszuarbeiten und zu verstehen. Die zentralen Fragen dabei sind: Was will jemand im Rahmen einer SM-Praktik emotional erfahren? Welche (unbewussten/unterdrückten) Aspekte seines Selbst zeigen sich darin?
Für uns ist das höchste Ziel, man selbst zu werden und zugleich bezogen zu sein. Wir arbeiten mit unseren Klienten und Klientinnen an ihrer Beziehungsfähigkeit, daran, die unsicheren, schambeladenen und ungeliebten Aspekte an sich selbst wahrzunehmen und diese in die eigene Persönlichkeit zu integrieren. In diesem Sinne geht es uns auch um eine gesunde Selbstbeziehung, darum, sich selbst mit den sogenannten Schattenseiten, welche sich häufig im sexuellen Bereich zeigen, anzunehmen. Nur dann können diese in Beziehungen auch vermittelt werden. Dadurch gewinnen Beziehungen an Qualität und an Tiefe.
Unbewusstes und mechanisches Praktizieren von SM-Ritualen wiederum, gegenseitiges Benutzen zum Ausagieren obsessiver Phantasien ohne dabei die psychologische Essenz dieser Spiele zu beachten, kann in Beziehungen und in der Selbstbeziehung zu einem hohen Maß an Destruktivität führen. Eine destruktive Tendenz zeigt sich bereits häufig darin, dass die Spiele heftiger und extremer, die emotionale Wirkung dem gegenüber eher weniger wird. Die Partner stumpfen ab und verhärten. Es steht nicht mehr die Bezogenheit und gemeinsame Entwicklung im Vordergrund, sondern das egozentrierte Ausleben triebgesteuerter Wünsche und Phantasien.