Ist Sadismus eher männlich und Masochismus eher weiblich?
Kategorien: Sadomasochismus
Sicher ist für Männer eine Neigung in Richtung „Sadismus“ nach wie vor eher sozial erwünscht und auch für Frauen gilt in einigen Regionen weiterhin eher der gesellschaftliche Anspruch, sich dem Manne „Untertan zu machen“ und sich der männlichen Führung hinzugeben. Eine masochistische Neigung bei Männern wurde gesellschaftlich eher zwiespältig betrachtet und tabuisiert, eine dominante bei der Frau ebenfalls. In unserer sexual- und paartherapeutischen Praxis berichten allerdings ebenso Männer von der Sehnsucht nach Hingabe wie auch Frauen von der Fantasie, sich dominant zu betätigen und z.B. Männer zu unterwerfen. Auch die verschiedenen Studien, die im Bereich der BDSM-Subkultur durchgeführt wurden, lassen keine eindeutigen Aussagen darüber zu, dass Masochismus eher weiblich und Sadismus eher männlich ist.
Masochismus steht im weitesten Sinne für die Sehnsucht nach Hingabe und Auflösung, kann aber auch, je nach Fall, eine Form der Selbstbestrafung sein. Sadismus als Äquivalent für Beherrschen wollen und Kontrolle ausüben, birgt auch das Risiko des destruktiven Machtmissbrauchs in sich. Die einvernehmliche Aufteilung von Macht und Kontrolle vs. Ohnmacht und Hingabe, wird in der BDSM-Subkultur in (Rollen-)Spielen inszeniert. Die Techniken, die dazu verwendet werden, wie Schmerzen zufügen, physische und psychische Demütigung, in eine Tiernatur gehen, etc. dienen dabei hauptsächlich als Mittel zum Zweck.
Unserer Erfahrung nach tragen Menschen normalerweise beide Seiten in sich. Bekommen im therapeutischen Prozess masochistisch-devote oder sadistisch-dominante Ambitionen ihren Raum, tauchen häufig nach einer gewissen Zeit, gegenteilige Wünsche auf.
Viele Männer träumen beispielsweise davon, sich einer Frau hinzugeben oder gar zu unterwerfen. In der Regel folgen Männer allerdings ganz anderen gesellschaftlichen Idealen und glauben eher daran, dass sie Standhaftigkeit und Entscheidungsfreudigkeit zeigen sollen. Wird dieses Ideal gelebt, dann kann es sein, dass der verdrängte Wunsch zum Schatten wird, an Gewicht gewinnt und sich dann in infantiler und unbewusster Weise ausdrückt. Wird er in die partnerschaftliche Sexualität einbezogen, so kann die Partnerschaft an Tiefe gewinnen und der Mann kann lernen, von seinen Leistungsidealen abzulassen und Hingabe erlernen.
Frauen hingegen, die in ihrer Sexualität ihre dominante Seite negieren, weil sie gelernt haben, sexuell anspruchslos und unterwürfig zu sein, dominieren vielleicht die Alltagsbeziehung indem sie den Partner oder die Partnerin kontrollieren und so ihren Machtanspruch auf einer anderen Ebene ausleben. Wird dieser Schatten auf eine bewusste Ebene gehoben und spielerisch in die Sexualität integriert, kann sich die darin gebundene Energie lösen. Häufig entspannt sich dadurch die partnerschaftliche Beziehung.
Wichtig ist: Unsere Sexualität und damit auch unsere Triebimpulse und sexuellen Fantasien haben eine ausgleichende Funktion. Wenn wir diese Funktion bewusst nutzen, kann das dabei helfen, langfristige Beziehungen sexuell frisch zu halten. So bauen die meisten Frauen und Männer in Beziehungen Spannungen auf. Nahezu jeder Mann, jede Frau beschreibt Aggressionen gegen seinen Partner/ seine Partnerin; diese Regungen spielerisch im Bett einzubeziehen und damit die kinetische Energie abzubauen, kann die partnerschaftliche Intimität steigern und die Bindung stärken. Beziehen wir diese Ebene nicht mit ein und verdrängen den sich hierin zeigenden Schatten, so zeigt sich die darin gebundene Energie häufig kindlich, infantil und unkontrolliert-impulshaft; Beziehungen können dann destruktive Züge bekommen.