Wie kommt man an Menschen, die „harte SM-Spiele“ spielen und Suchttendenzen aufweisen als Angehöriger heran? Ist das überhaupt sinnvoll?
Kategorien: Sadomasochismus
Wenn Menschen schwer zugänglich erscheinen, dann zumeist daher, weil Ihnen die „verschlossenen“ Bereiche besonders wichtig und schützenswert sind. Dabei geht es nicht immer um Sex oder SM, sondern häufig darum, die eigene Autonomie unter Beweis zu stellen. Sicherlich können eine zunehmende Isolation und suchtartiges Verhalten bei nahen Verwandten oder Freunden Angst machen – doch es liegt in der Natur der Sache, dass wir Menschen, die nach Autonomie streben, schwer erreichen können. Schließlich suchen diese sich ja aus wie auch immer gearteten Abhängigkeiten zu lösen und daher besteht auch eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass aus Besorgnis angebotene Hilfeleistungen eher auf Ablehnung stoßen.
Fragen Sie sich: Warum will ich überhaupt an jemanden herankommen? Wozu suche ich Zugang, während mir der Zugang offensichtlich verwehrt wird? Welche Motive bewegen mich?
Manchmal hilft es doch zunächst, den geliebten Menschen einfach anzusprechen und ihn nach seinen Spielarten zu befragen. Manchmal besteht der beste Zugang darin, direkt zu fragen, was jemand erlebt und was ihn fasziniert. Sicherlich kann man hier auch seine Sorgen kommunizieren. Aber fragen Sie sich, woher genau ihre Sorgen kommen. Vielleicht sind es ja auch lediglich ihre eigenen Ängste und Unsicherheiten, die sie in den Verwandten projizieren und hineinverlagern. Vielleicht findet die Person ja in den besagten Praktiken das persönliche Glück während ihre Sorgen Ausdruck eigener verdrängter Wünsche und Fantasien sind. Insbesondere im Sexuellen ist die Wahrheit zumeist sehr vielschichtig und nicht immer direkt erkennbar.
Hier entscheidet ihre Haltung – wenn Sie SM-Praktiken verwerflich und krank finden, so werden sie auch schwer Zugang gewinnen. Eine fragende Haltung hingegen kann das Eis brechen den Verwandten dazu einladen, aus seinem Leben und von seinen Bedürfnissen zu berichten. Dies führt bereits aus der Isolation heraus.
Sollte jemand tatsächlich so abgedriftet sein, dass kein Gespräch mehr denkbar ist und diese Person sich komplett isoliert, dann bleibt nur noch, der eigenen authentischen Reaktion zu folgen. Jemandem hinterherzulaufen, der sich dazu entschieden hat, Sie abzulehnen, ist demütigend. Hier hilft meist, Grenzen aufzuzeigen und auf Auswirkungen hinzuweisen. Notfalls bleibt nur noch der Schritt, die Beziehung abzubrechen, um nicht mehr der Selbstdestruktion beiwohnen zu müssen. Andere Möglichkeiten erscheinen kaum sinnvoll, schließlich ist es glücklicherweise das Recht jedes erwachsenen Menschen, sein sexuelles Leben so zu gestalten, wie es ihm gefällt.
Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitstörung setzen selbstverletzende Verhaltensweisen wie das „Ritzen“ (sich selbst blutige Schnitte mit einer Rasierklinge zufügen) häufig in Momenten ein, wo innere Druckzustände so übermächtig werden, dass nur der von außen zugefügte Schmerz Erleichterung bringt. Vielleicht auch, weil er den inneren Schmerz übersteigt. Das Erleben von Schmerz wird somit als eine Art „Lösungsversuch“ eingesetzt, als Möglichkeit der Entlastung. Andere Borderline-Patienten sprechen davon, sich selbst nicht zu spüren und über das Ritzen wieder ein Gefühl für den Körper und die eigenen (Körper-)Grenzen zu bekommen. Werde selbstverletzende Verhaltensweisen hierfür eingesetzt kann es zur Abhängigkeit kommen, die meist durch Schamgefühle begleitet werden. Abhängigkeit heißt in der Regel:“ obwohl ich weiß das mir xxx nicht gut tut, muss ich es trotzdem machen/nehmen und schäme mich danach dafür“. Dabei kann es sich um SM, Drogen oder ähnliches handeln. Solange die Betroffenen jedoch nicht so sehr darunter leiden, dass sie bereit sind Hilfe anzunehmen, werden sie alle von Außen angebotene Hilfe eher als Druck und als Angriff empfinden und sich somit noch mehr verschließen.
In der SM-Szene wird man nur wenige Menschen finden, die von sich sagen würden, dass sie unter ihrer Neigung leiden, was wahrscheinlich auch ein Grund ist, warum SMer nur sehr selten in Therapiepraxen auftauchen. Zu Konflikten kommt es doch nur dann, wenn das Umfeld, sprich, der Partner, die Partnerin, Freunde oder Verwandte Bedenken anmelden und der Betroffene mit seinen Vorlieben und Neigungen nicht akzeptabel erscheint. Je weniger Verständnis ihm jedoch dafür entgegengebracht wird desto eher wird er sich zurückziehen und sich mit seiner Thematik isolieren.
Einvernehmliche SM-Spiele zwischen erwachsenen Partnern, in denen es um Macht, Ohnmacht, Hingabe und Kontrolle geht, können eine Liebesbeziehung bereichern, besondere emotional Nähe und tiefes Vertrauen herstellen. Dabei sollte es jedoch nie um die rein körperliche Erlebnis- und Befriedigungsebene gehen, sondern immer auch um Transformation, Selbstentwicklung und Selbsterforschung. Dreht es sich bei solchen Spielen nur um die körperliche Befriedigung und den damit verbundenen „Kick“, ist die Gefahr der Abstumpfung und emotionalen Verrohung groß. In diesem Zusammenhang können dann die Beteiligten in süchtiger Weise immer wieder diesen Kick aufsuchen (ansonsten fallen sie wie andere Süchtige in ein emotionales Loch).