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Weibliche Entwicklungsthemen

Für Frauen stellen sich im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte häufig andere Aufgaben als für Männer. Die Frau kommt bis auf wenige Ausnahmen, geschichtlich betrachtet, aus der Unterdrückung einer teilweise brutalen patriarchalen Welt. Lange Zeit war sie auf verschiedenen Ebenen abhängig vom Mann. Noch in der Nachkriegsgeneration des zweiten Weltkrieges waren die Rollen in den westlichen Industrienationen eindeutig so verteilt, dass der Mann der Ernährer der Familie war und die Frau sich um die Kinder und den Haushalt kümmerte, also Kochen, Putzen, Waschen und dem Mann zu Diensten zu sein hatte.

In manchen Ländern der Erde ist es nach wie vor normal, dass die Frau an sich keinen Eigenwert besitzt. Die sogenannten „Witwenverbrennungen“, wo die Ehefrau des verstorbenen Mannes sich selbst unter Feuer setzt, um ihm in den Tod zu folgen weil es ihrer Pflicht entspricht und, weil sie als Witwe geächtet werden würde, findet man noch heute in manchen ländlichen Gegenden Indiens, obwohl sie inzwischen per Gesetz verboten sind.

Trotz den verschiedenen feministischen Wellen, welche über Europa und Amerika hinweggerollt sind, taucht in der therapeutischen und vor allen Dingen in der sexualtherapeutischen Arbeit mit Frauen, immer wieder ein grundlegendes Thema auf, dass von diesen Wellen unberührt geblieben zu sein scheint und das sich in alle Lebensbereiche einer Frau hinein auswirkt.

Das Selbstbewusstsein der meisten Frauen ist aus ihrer individuellen, aber auch aus der kollektiven Geschichte heraus gestört.  Den Frauen fehlt es an Selbstbestimmtheit, was sich wiederum stark in der Art und Weise zeigt, wie Frauen mit ihrem Körper und ihrer Sexualität umgehen.

Wie zeigt sich nun aber eine sogenannte „Selbstwertstörung“ im sexualtherapeutischen Bereich?

Es gibt einen Spruch, den mein Therapeut mich schon früh gelehrt hat und der heißt: Eine Frau, lässt sich nicht für eine Pizza vögeln“!  Bedeutet übersetzt, dass eine Frau gut darauf achten sollte, bevor sie sich sexuell auf einen Mann einlässt, ob er sie respektiert und gut behandelt und, welche Motivation sie dazu treibt, mit  diesem Menschen Sex zu haben. Hat sie gelernt über körperliche Angebote Anerkennung und Liebe zu bekommen? Vögelt sie im Namen der eigenen Lust oder hat sie gelernt, dass ihr Wert über sexuelle Angebote zu steigern ist, bzw. sie darüber auch Demütigung erfahren kann?

Fallbeispiel: Frau S. kommt in die Therapie, weil sie unter Lustlosigkeit leidet und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr hat, wenn sie, was selten vorkommt, ihrem Mann erlaubt mit ihr zu schlafen. Sie sind ein junges, erfolgreiches Pärchen mit einer selbst aufgebauten Firma, verheiratet, ein Sohn und seit 10 Jahren zusammen. Im Laufe der Therapie, die aus einer Kombination aus Einzel- und Paargesprächen besteht, stellt sich heraus, dass die Frau praktisch noch nie wirklich Spaß daran hatte, wie ihr Partner mit ihr sexuell zugange war. Sie empfand ihn immer als zu grob und einzig und alleine auf seine Befriedigung ausgerichtet. Sie meinte, Versuche unternommen zu haben mit ihm darüber zu reden, wie es ihr mit ihrer gemeinsamen Sexualität gehe, sei bei ihm jedoch auf wenig Verständnis und Offenheit gestoßen, so das sie es wieder aufgegeben habe. Trotzdem habe sie über viele Jahre hinweg den Sex mit ihm „geduldet“ weil sie Angst hatte, er könne sich anderen Frauen zuwenden, wenn sie nicht michmache. Aber nun war sie an einem Punkt angekommen, wo sie körperliche Symptome entwickelt hatte, die sich in Form eines leichten Vaginismus zeigten, so das ihr nichts anderes übrigblieb, als sich um ihre Sexualität zu kümmern.

In dem Akt der Frau, dem Mann ihren Körper „hinzulegen“ ohne sich emotional für ihn zu öffnen und ohne ihm sexuell begegnen zu wollen, zeigt sich einerseits eine tiefe Abhängigkeit der Frau vom Mann und andererseits der Wunsch, Macht über den Mann auszuüben.

Tritt eine Frau auf dieser Ebene mit einem Mann in Beziehung, dreht es sich niemals um Liebe, sondern immer darum, tiefsitzende, aus der Kindheit stammende Verletzungen mit dem Partner erneut zu durchleben und, wenn es gut läuft, diese zu transformieren.

Unbewusst und ohne die Arbeit an sich selbst, ist die Frau jedoch gefangen von Ihrem Frauenbild und von ihrem Männerbild. Als Frau muss sie dem Mann, der immer nur ficken will, zur Verfügung stehen, muss für ihn sexy sein, darf ihn sexuell nicht enttäuschen und muss seine Triebe befriedigen, damit er nicht abhaut. Damit verhindert sie, sich mit ihren tatsächlichen Gefühlen, ihren Machtansprüchen und ihren Ängsten, die eine lustvolle Sexualität verhindern, auseinander zu setzen.

Ist die Lust der Frau daran gekoppelt, vom Mann demütigend behandelt oder sexuell benutzt zu werden wird es besonders kompliziert. Eine derartige Programmierung, verursacht eine Zwiespältigkeit, welche Frauen in sexuellen und auch in alltäglichen Situationen nicht klar erkennen lässt, was gut für sie ist. Dieser Zwiespalt lässt sich folgendermaßen formulieren: Ich will mich von Dir nicht benutzen lassen, denn dafür muss ich Dich und mich hassen und verachten, gleichzeitig macht es mich jedoch geil, wenn Du mich für Deine Befriedigung benutzt.

Das Heranwachsen dieser Frauen wurde  häufig von einer sexuell übergriffigen Männerfigur begleitet, welche die Beziehung sexualisiert und das Machtgefälle ausgenutzt hat. So scheint sie gelernt zu haben das, wenn sie auf seine sexuellen Avancen eingeht, wenn sie sich erotisch gibt, wenn sie kokett ist, von ihm eine besondere Aufmerksamkeit erhält und von ihm anerkannt wird. Dieses Verhalten wiederholt sie in ihren späteren Männerbeziehungen. Sie bezieht Anerkennung über Sex. Nicht selten findet man im Hintergrund sexuellen Missbrauch.

Hier kann auch vom Lolita-Syndrom gesprochen werden. Die Lolita-Frau ist eine Frau die meint, jeden Mann um den Finger wickeln zu können. Sie ist häufig sehr attraktiv, hocherotisch und wird von Männern umschwärmt (man findet sie oft in Berufen in denen es um Schönheit und Äußerlichkeiten geht, wie Modeln oder Schauspielerei). Um dem Vater,  dem Partner oder potentiellen Partnern zu gefallen, instrumentalisiert sie ihren Körper. Sie sexualisiert und erotisiert Beziehungen und bezieht ihren Wert daraus, wie gut sie in der Männerwelt ankommt. Ihre Identität ist eine von den Männern gespiegelte und so ist sie im Kern tief einsam, weil sie keine Beziehung zu ihrem Selbst entwickelt hat. Da Männer und männliche Anerkennung so wichtig für sie sind, werden andere Frauen automatisch zu Konkurrentinnen und somit ist sie auch auf der Ebene weiblicher Gemeinschaft und Freundschaft von deren kollektiver Kraft abgeschnitten.

Die Entwicklung aus dieser Programmierung und aus dem damit einhergehenden Männerhass heraus, geht über die Auseinandersetzung mit dem Schmerz und der Wut, nicht wirklich geliebt worden zu sein.

Exkurs: Gemäß der ödipalen Konfliktsituation, wechselt das Mädchen das Objekt seines Begehrens im Alter von 4-5 Jahren von der Mutter auf den Vater und tritt somit in Konkurrenz zur Mutter. Es kokettiert mit dem Vater und überträgt seine sexuellen Wünsche auf ihn. Wird die ödipale Konfliktsituation nicht positiv aufgelöst, bleibt das Mädchen im Konkurrenzverhältnis zur Mutter verhaftet. Es hat kein positives weibliches Vorbild an dem es sich orientieren und mit dem es sich identifizieren kann und muss den Vater idealisieren. Damit geht automatisch eine Abwertung der Weiblichkeit einher und die Identifikation läuft über den Vater.

Die Entwicklung aus dem Lolita-Syndrom:
Die Frau muss sich mit ihren kindlichen Verletzungen auseinandersetzen, mit den Gefühlen von Ohnmacht und Hilflosigkeit, die sie den Männern gegenüber empfindet und die sie versucht zu kompensieren. Sie muss sich ihren zwiespältigen Gefühlen stellen, die verhindern, dass sie sich auf eine tiefergehende Beziehung einlassen kann. Eine der Hauptaufgaben der Frau, auf dem Weg aus dem Lolita-Syndrom heraus ist es, sich von männlicher Bestätigung, die sich häufig auf ihren Körper und ihr Sex-Appeal bezieht, unabhängig zu machen und eigene Werte zu entwickeln. Sie muss sich also fragen, für was sie sich selbst anerkennen kann und wie sie das tiefe Misstrauen, dass sie anderen Frauen gegenüber hegt, heilen kann. Wenn sich die Lolita-Frau mit anderen Frauen verbindet, kann sie dadurch an Kraft gewinnen und sie kann von ihnen lernen.

Fallbeispiel: Frau A. kommt zusammen mit ihrem Mann in die Paartherapie. Sie sind seit acht Jahren zusammen und haben 2 kleine Kinder. Die partnerschaftliche Sexualität ist schon langeversiegt. Frau A. hat keine Lust, fühlt sich insgesamt kraftlos und gleichzeitig sehr angespannt. Mit ihren Aufgaben als Mutter fühlt sie sich überfordert. Nach wenigen Sitzungen Paartherapie, wechseln wir das Setting zu Einzelsitzungen. Frau A. beschreibt, dass sie früher in ihrem alten Heimatland gearbeitet hätte, dann aber mit ihrem Mann aus seiner beruflichen Situation heraus mehrmals das Land habe wechseln müssen. Da ihr Mann sehr gut verdiene, müsse sie nicht arbeiten gehen und könne sich um die Kinder kümmern. Im Laufe der Therapie stellt sich heraus, dass Frau A. sich auf allen Ebenen abhängig von ihrem Mann fühlt, was sich u.a. darin ausdrückt, dass sie kein eigenes Geld verdient. In den vergangenen Jahren ist ihr Selbstbewusstsein an einem Tiefpunkt angelangt und sie traut sich weder beruflich, noch als Mutter und als Ehefrau etwas zu. Die Wut, die Frau A ihrem Mann gegenüber spürt ist enorm, aber Frau A. fühlt sich blockiert und kann sich nicht ausdrücken. Die Lustlosigkeit von Frau A. ist symptomatisch für ihre Lebenssituation.
Nach gut 2 Jahren Therapie, in denen Frau A. sich entwickelt und zu ihrer Lust zurück gefunden hat, findet sie den Mut, wieder arbeiten zu gehen und eigenes Geld zu verdienen. Nach kurzer Zeit trennt sich Frau A. in gutem Einvernehmen von ihrem Mann und geht zurück in ihr Heimatland.

Dieses Fallbeispiel zeigt, dass auch finanzielle Unabhängigkeit und berufliche Perspektiven für Frauen wichtige Voraussetzungen für die Entwicklung eines gesunden Selbstbewusstseins sind. Wenn Frauen in Beziehungen sich finanziell versorgen lassen, dann steht diese Situation häufig symbolhaft für die emotionale Abhängigkeit in der sie sich befinden. Es ist eine Versuchung, für Frauen von gut verdienenden Männern, sich hinter ihnen zu verstecken um nicht wachsen zu müssen und unabhängig zu werden- denn Abhängigkeit bedeutet auch Sicherheit und Bindung. Doch die Seite die sich klein gehalten fühlt, wird sich auf die eine oder andere Weise rächen.

Das Dornröschen-Syndrom:
Nach langem Warten wird einem König endlich eine Tochter geboren. Aus Freude darüber lädt er seine Untertanen zu einem Fest, darunter auch zwölf weise Frauen (Feen). Die dreizehnte, die aus Mangel an Geschirr nicht zur Taufe der neugeborenen Königstochter eingeladen worden war, belegt das Mädchen mit einem Fluch, dass es sich an seinem fünfzehnten Geburtstag an einer Spindel stechen und daran sterben solle. Eine der zwölf übrigen Feen, die an dem Fest teilnehmen durften, wandelt den Todesfluch in einen hundertjährigen Schlaf um, woraufhin der König alle Spindeln im Königreich verbrennen lässt. An des Mädchens fünfzehntem Geburtstag erkundet es ein Turmzimmer, in dem es eine alte Frau beim Spinnen entdeckt. Die Prinzessin will es auch einmal versuchen und sticht sich mit der Spindel in den Finger. Sie fällt gemeinsam mit dem gesamten Hofstaat in einen tiefen Schlaf. Das Schloss wird mit einer undurchdringlichen Dornenhecke umringt, die sich nach hundert Jahren in Rosen verwandeln. Erst an diesem Tag gelingt es einem Prinzen, in den Turm zu gelangen, wo er die Königstochter wachküsst, woraufhin auch der Schlaf des Hofstaats beendet ist. Dornröschen und der Prinz heiraten.

Auf der Frauenseite taucht in der sexualtherapeutischen Arbeit immer wieder das Symptom der „eingesperrten Sexualität“ auf. Diese Frauen sagen zwar, dass sie Sexualität leben möchten, aber dass sie keinen Bezug zu ihrer Lust, ihrem Körper und zu Sex an sich haben. Das sie nicht viel spüren, wenn sie versuchen Sex zu haben. Das sie sowieso meistens zu müde sind, Kopfweh haben, zu viel gegessen oder anderweitig belastet sind.  Für diese Frauen sind Masturbation, Orgasmus und Ekstase Fremdwörter Die Dornenhecke aus dem Dornröschen Märchen symbolisiert den Schutzwall aus Abwehrmechanismen um die Sexualität dieser Frauen herum. Tief in sich drin sehnen sie sich danach, Sex genießen zu können und Spaß daran zu haben. Sie warten heimlich darauf, dass eines Tages ein mutiger Prinz erscheint, der sich durch ihre Dornenhecke  durchkämpft und sie aus ihrem Schlaf befreit, bzw. ihre sexuellen Gefühle freilegt. Doch dieser Prinz muss erst geboren werden, dass heißt, der Mann muss wirklich Mann genug sein, sich von dem ganzen Theater nicht abschrecken zu lassen. Im Märchen erscheint er nach hundert Jahren. Bis es soweit ist, sind bereits viele Männer an der Dornenhecke der Frau gescheitert und verletzt worden.
Die (sexuelle) Befreiung, wie sie im Dornröschen Märchen dargestellt wird- der Kuss des Prinzen- steht unter Anderem auch für eine Loslösung aus elterlichen Bezügen (Komplexen). Die Feen kann man als Eltern und als Gesellschaft sehen, die das Mädchen davon abhalten wollen, sexuell aktiv zu werden.
Viele Frauen sind früher in die Arme eines Mannes gelaufen, um dem  Elternhaus zu entkommen.  Heute ist die Loslösung einfacher, aber innerlich bleiben nach wie vor viele jungen Frauen an die Eltern gebunden und leben eine unterdrückte Sexualität. Mit etwas Glück findet die Frau tatsächlich ihren Prinzen, der sie wachküsst, doch die meisten Frauen müssen sich selbst befreien, um zu einer reifen, unabhängigen Frau heran zu wachsen. Eine Frau die in ihrer vollen sexuellen Kraft steht, wird sich nicht kontrollieren lassen. Weder von den Eltern noch von einem Mann.
In der sexualtherapeutischen Arbeit mit Frauen, die das Dornröschen-Syndrom mitbringen, geht es darum die Illusion aufzulösen, dass eines Tages der rettende Prinz kommen wird, um sie zu befreien. Die Frau muss selbst daran arbeiten, ihre Abwehrmechanismen abzubauen und sich ihren sexuellen Regungen zu öffnen.

Fallbeispiel: Frau F. kommt mit ihrem Mann in die Therapie. Er wirkt zurückgenommen, jungenhaft und schüchtern. Sie erscheint ebenso verklemmt und mädchenhaft. Er beschreibt, dass er unter starkem Praecox leidet und, dass er dieses Problem auch aus anderen Beziehungen kennt. Nach einigem Nachfragen stellt sich heraus, dass er in anderen Beziehungen sein Defizit immer gut ausgleichen konnte, in dem er die Frau mit den Händen und oral befriedigt hat. Auch bei Frau F. konnte er am Anfang der Beziehung seine sexuelle Störung mit allen möglichen Spielvarianten kompensieren. Doch Frau F. entwickelte relativ schnell verschiedenste Abwehrmechanismen, die am Ende nur noch eine Möglichkeiten des sexuellen Kontaktes zuließen, nämlich die Penetration. Alle anderen Berührungen, wie z.B. Streicheln der Brüste, berühren der Vagina mit den Fingen, lösten bei Frau F. unangenehme Gefühle aus, wie Kitzeln, Schmerzen, Widerwillen etc. Frau F. hatte keinen  Zugang zu ihren sexuellen Gefühlen, Sex schien ihr nicht so wichtig zu sein, sie konnte nicht benennen, was ihr Lust bereiten könnte und ihr Partner lies sich von diesen „Barrieren“ abschrecken, so das die Beiden schlussendlich keine gemeinsame Sexualität (er-)leben konnten.

Was ich liebe kann ich nicht ficken und was ich ficke, kann ich nicht lieben ist eine weitere Störungsvariante, die uns in der Sexualtherapie mit Frauen häufig begegnet. Es ist die Spaltung zwischen Herz und Muschi, zwischen Verstand und Becken und ganz grundlegend zwischen Gut und Böse.
Die bösen Jungs vögeln, benutzen und werten ab und werden dafür auch noch angehimmelt. Diejenigen, die sich niemals auf eine Beziehung einlassen würden. Die Guten, die es ernst meinen, die Frau respektieren, sie schätzen und ihre Grenzen wahren, werden zu den besten Freunden, bei denen sich die Frauen ausheulen, wenn die bösen Jungs sich schon längst wieder verdrückt haben. Natürlich sie sich sexuell an der Frau bedient haben.

Was drückt diese Störung aus? Wenn die Frauen sich sexuell dem Mann öffnen würden, der sie wirklich begehrt und den sie sehr nahe an ihr Herz ranlassen, dann würden sie sich völlig in ihm verlieren, sich in ihm auflösen, süchtig werden und abhängig. Kurz, sie würden die Kontrolle über ihre wohlgehüteten Gefühle verlieren.

Wer in seiner Kindheit Liebe als etwas Schmerzhaftes erlebt hat, als etwas, das Selbstaufgabe verlangt, Hörigkeit, etwas das schwächt und bedrohlich ist, weil es auf unkontrollierbare Weise mal da ist und mal nicht, der wird von der Liebe Abstand nehmen und sich in der Sicherheit distanzierter Sexualität wohler fühlen.

Fallbeispiel: Frau N. kommt mit ihrem Freund in Paartherapie. Die beiden sind ein junges Pärchen, seit 10 Jahren zusammen, direkt vom Elternhaus in die gemeinsame Wohnung gezogen. Ihre Sexualität war in all den Jahren schwierig. Beiden fehlte es an Leidenschaft. Die typische Hänsel und Gretel Beziehung. Sie hatte nach sexuellen Kontakten immer mit Pilzen und Blasenentzündungen zu tun und wurde beim Sex nie feucht, so dass sie immer Gleitgel zur Hilfe nehmen mussten. Ein Missbrauch durch den Vater schwebte als Verdacht immer in der Luft. Er war stark aggressionsgehemmt und voller Schamgefühle bezüglich seiner sexuellen Regungen und Wünsche. Nach zwei Jahren Therapie beschlossen die Beiden die Beziehung zu öffnen und mit andern Sexualpartnern Erfahrungen zu sammeln. Frau N. verliebte sich in einen Mann, der sie stark an ihren Frauen verachtenden Vater erinnerte und der Frau N. nicht gut behandelte, ihr nicht zuhörte, arrogant war und Frau N.s Komplexe komplett aktivierte. Trotzdem wurde Frau N. beim bloßen Gedanken an diesen Mann feucht und hatte weitreichende sexuelle Fantasien mit ihm, wie sie sie mit ihrem Partner niemals hatte.